Jugendstil

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Der Jugendstil, oder die „neue Kunst“ ist eine revolutionäre kunstgeschichtliche Epoche, welche in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts zwar überall in Europa aufkam, seinen eindeutigen Ursprung jedoch in der „Stadt der Liebe“ Paris hatte. Geburtsort des Begriffes, und nicht nur dessen, war das Geschäft „Maison de l’Art Nouveau“ von Siegfried Bing in der französischen Weltstadt. Abgesehen von europaweit vielfältigsten Varianten, darunter die „Arts + Crafts“ Bewegung in England, fand die innovative Umsetzung der Visionen des Jugendstils in Frankreich statt.

Es war die revolutionäre Abkehr von den bisher verwendeten, weil historisch überlieferten Formvorbildern des Historismus. Dekorativ geschwungene Linien und flächenhafte florale Ornamente lösten das bis dato stets symmetrische Formdenken weitestgehend ab. Die Schöpfer dieses Stils bauten Brücken von der Geschichte und Traditionen zur Gegenwart und Zukunft unter dem völlig neuen Gesichtspunkt der Funktionalität und eines „sauberen Flusses“ mit klaren Linien. Die „neue Kunst“ war durchaus umstritten und hat die Menschen gleichermaßen begeistert wie provoziert. Klar nachvollziehbare erotische Komponenten sind in den Werken keinesfalls von der Hand zu weisen. Referenzen an den weiblichen Körper und dessen tiefe Bewunderung standen unumstritten Pate für die geschmeidigen und schmeichelnden Linien und Kurven der Epoche.

Erstmals in der Kunstgeschichte war der Blick der Schöpfer klar nach vorn gerichtet und hatte das junge 20. Jahrhundert als das erkannt, was es war, beziehungsweise was es werden würde. Und jenes war getränkt von Neugier, Entdeckertum und neuer evolutionärer Erkenntnisse. Darwinistische Arten- und Evolutionslehren, fließendes Wasser, die Zyklen des Lebens von Mensch und Tier, kurz: der Lauf der Dinge in allen Facetten, wurden eingefangen und als Ausdruck des Fortschritts in Gold verewigt. Weiche Formen und Edelsteincabochons, Perlen sowie meisterhaft filigrane Emaillierungen zeugen noch heute von den Visionen der Juweliere. Warme und naturverbundene Farben wie Brauns, Lilas, „Sages“ und Senftöne wurden hochmeisterlich in Emaille manifestiert, als Steine gesetzt oder in handgeschnitztem Hornschmuck zum Ausdruck verholfen.

Was gab es noch? Die Eingänge zu den Pariser Metrostationen sind wohl als eindrucksvollste Baudenkmäler des Jugendstils zu betrachten. Geht man durch sie hindurch, durchschreitet man nicht nur Stein und Stahl. Man bewegt sich von einem Jahrhundert ins nächste. Ähnlich begeistert ist der Architekturkenner nur von den ganzheitlichen und einzigartig visionären Schöpfungen Antoni Gaudís in Barcelona. Schmückt man sich mit einem Collier der Modernisme/der Art nouveau, dann ist es so, als läge man das Gewand eines Baumeisters der Sagrada Família an.

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